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Schule als Schule der Demokratie?

Kurzbericht von Daniel Vetter (Heidelberg School of Education) zum Kamingespräch am 27.11.2024

Folgt man dem Gros aktueller Gegenwartsdiagnosen aus Wissenschaft und Gesellschaft, so ist davon auszugehen, dass sich die liberale Demokratie in einer existentiellen Krise befindet. Freilich wird die Natur der Krise ganz kontrovers diskutiert. Immerhin scheint man sich einig, dass es den genuin politischen Bildungsauftrag der Schule zu erneuern gilt.

Inwiefern ist, kann oder soll Schule eine Schule der Demokratie sein? Diese Frage stand im Mittelpunkt des Kamingesprächs „Von der Schulbank ins Bürgerleben?“, das am 27.11. an der HSE stattfand. Unter reger Beteiligung des Publikums diskutierten hierzu Expert:innen aus Wissenschaft, Politik und Praxis:

  • Sabine Barth, Fachoberlehrerin, Fachberaterin für Unterrichtsentwicklung und Koordinatorin des Expertenteams Demokratiebildung an der Regionalstelle Schwäbisch Gmünd des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung. Sie ist die Initiatorin, Gründerin und Vorstandsmitglied von SkillUp e.V.
  • Havva Engin, Professorin für Allgemeine Pädagogik mit dem Schwerpunkt Interkulturelle Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
  • Robert Feil, Referent für Demokratiebildung im Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Autor des Leitfadens Demokratiebildung für die Schulen in Baden-Württemberg und weiterer Konzepte in diesem Themenbereich – u. a. des Curriculums Demokratiebildung für Vorbereitungsklassen – und Mitautor des Curriculums für die bundesweiten Orientierungskurse.
  • Michael Haus, Professor für Politische Theorie an der Universität Heidelberg, von 2020 bis September 2024 universitätsseitiger Geschäftsführender Direktor der Heidelberg School of Education.
  • Christian Mühleis, Akademischer Rat in der Abteilung Politikwissenschaft am Institut für Gesellschaftswissenschaften der Pädagogischen Hochschule Heidelberg

v.l.n.r.: Daniel Vetter; Michael Haus; Robert Feil; Havva Engin; Sabine Barth; Christian Mühleis

Kontroversität als Wesensmerkmal der Demokratie

Ein zentraler Aspekt der Diskussion war das Thema Kontroversität. Michael Haus hob hervor, dass Kontroversität eine der zentralen Prämissen demokratischer Praxis darstellt. “Wir können der Kontroversität nicht entkommen, auch nicht, wenn wir uns Gedanken darüber machen, was Demokratie überhaupt bedeutet”, betonte er. Christian Mühleis ergänzte, dass das Politische immer dort beginne, wo wir es mit Uneindeutigkeiten zu tun haben. Diese Einsicht könnte auch eine sinnvolle Leitfrage für die Suche nach der politischen Dimension des Fachunterrichts sein. Beide Stimmen unterstrichen, dass es für Schulen essenziell sei, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Perspektiven aktiv zu fördern und dabei Widersprüche als Lernchancen zu begreifen.

Herausforderungen einer inklusiven Praxis der politischen Bildung

Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion lag auf den Herausforderungen einer inklusiven Praxis der politischen Bildung. Havva Engin und Robert Feil mahnten an, dass migrantische Perspektiven in der politischen Bildung stärker berücksichtigt werden müssten. Politische Bildungsangebote seien noch immer nicht für alle gleichermaßen zugänglich, was die Gefahr berge, bestehende Ungleichheiten zu reproduzieren. Besonders hervorgehoben wurde in diesem Zusammenhang das sogenannte Matthäus-Prinzip: Wer bereits Zugang zu politischer Bildung hat, profitiert überproportional, während andere außen vor bleiben. Dies verdeutliche die Dringlichkeit, politische Bildungsangebote gezielter zu gestalten und ihre Reichweite zu erweitern.

Freiheitsräume erkennen und nutzen

Sabine Barth machte deutlich, dass es darauf ankommt, Freiheitsräume in der Schule zu erkennen und zu nutzen. So könne beispielsweise ein stärker projektorientierter Unterricht dazu beitragen, Eigeninitiative, Teamerleben und Selbstwirksamkeitserfahrungen in den Bildungsalltag einzubringen und somit demokratische Prinzipien aktiv zu fördern. Darüber hinaus riet sie, die Schüler:innen als verantwortungsbewusste Subjekte ernst zu nehmen, die Haltungen im Sinne des Growth Mindsets zu stärken und sie damit in ihrer jeweiligen Lebenswelt abzuholen. Das stärke die demokratische Handlungsfähigkeit der Lernenden.

Demokratiebildung im Fachunterricht verankern

Einig war man sich darüber, dass Demokratiebildung in Zukunft stärker im Fachunterricht verankert werden sollte. Dies könnte dazu beitragen, dass Demokratie nicht als isoliertes Thema wahrgenommen wird, sondern als integraler Bestandteil des schulischen Lernens. Die politische Dimension in Fächern wie Geschichte, Sozialwissenschaften, aber auch Naturwissenschaften und Kunst sichtbar zu machen, wurde als vielversprechender Ansatz diskutiert. So könnte Schule tatsächlich zu einer „Schule der Demokratie“ werden.

Vom Appell zur Praxis: Demokratiebildung konkret umsetzen

Ein zentraler Punkt der Diskussion war die Frage, wie man von der Appell-Ebene („Demokratiebildung ist wichtig!“) zur breiten Verankerung in der Praxis gelangt („Wir machen Demokratiebildung!“). Alle Anwesenden stimmten darin überein, dass dies nach wie vor eine große Herausforderung darstellt. Es bedarf nicht nur klarer Zielsetzungen, sondern auch effektiver Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Schulträgern, Wissenschaft und Politik. Nur so lässt sich die oftmals abstrakte Forderung nach Demokratiebildung in konkrete und nachhaltige Konzepte überführen.

Fazit

Das Kamingespräch zeigte eindrücklich, dass Schule als Institution vor großen Herausforderungen steht, zugleich aber auch eine tragende Rolle in der Demokratiebildung einnehmen kann. Der politische Bildungsauftrag der Schule muss neu gedacht und auf breiter Basis umgesetzt werden, um den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden. Die Diskussion lieferte wertvolle Impulse, wie dies gelingen kann – von der Stärkung der Kontroversität über eine inklusive Gestaltung politischer Bildung bis hin zur Verankerung demokratischer Prinzipien im Fachunterricht.

 


OpenEdition schlägt Ihnen vor, diesen Beitrag wie folgt zu zitieren:
Autor/in (19. Dezember 2024). Schule als Schule der Demokratie? Fokus Lehrerbildung. Abgerufen am 14. Februar 2025 von https://doi.org/10.58079/12ysk


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